Monday, August 24, 2009

Lang lebe Windows XP

Seit drei Tagen habe ich nun Windows 7 testweise installiert (auf einem HP 8530w), und während dieser drei Tage hat Windows 7 bei mir vorwiegend Minuspunkte gesammelt. Schon beginnend bei der Installation: Iiiiih, das schaut ja genauso aus wie Vista. (Bei einem Betriebssystem, das auf so wenig Gegenliebe gestoßen ist wie Vista, hätte man finde ich alles, was auch nur entfernt daran erinnern könnte, einstampfen sollen.)

Die Benutzeroberfläche schaut auf den ersten Blick ganz nett aus, man hat sich einiges einfallen lassen, um die Konfiguration einfacher zu machen. Allerdings hält dieser Eindruck nur solange an, bis man draufkommt, dass dahinter nach wie vor die gleiche Bedienung steckt wie bei XP. Die hübsche Oberfläche nimmt einem zwar die ersten drei Klicks ab, danach landet man aber wieder in den altbekannten Dialogfeldern. Insgesamt wirkt die Überarbeitung der Benutzerführung daher sehr halbherzig gemacht.

Das Finden der Treiber funktioniert im Großen und Ganzen automatisch, was angenehm ist. Noch angenehmer wäre es natürlich, wenn er alle Treiber finden würde. Überhaupt nicht erkannt wird anscheinend die Grafikkarte; er schafft zwar die Auflösung, die ich haben will, beklagt sich aber selbst bei Solitaire, dass die Hardwarebeschleunigung vom installierten Grafiktreiber nicht unterstützt wird. (Außerdem interessant ist, dass die Bildschirmschoner nicht laufen, weil die Grafikunterstützung zu schlecht sei. Ich frage mich wirklich, wozu ein 08/15 Bildschirmschoner eine Grafikkarte überhaupt brauchen sollte.) Nachdem ich weiß, *dass* meine Grafikkarte recht gut ist, ist das etwas enttäuschend.

Ebenfalls enttäuschend ist die Tatsache, dass mein Touchpad nicht automatisch als solches erkannt wurde, sondern stattdessen als "Standard PS/2 Maus" eingetragen ist. Erst nach Installation des richtigen Treibers -- wozu man sich einmal durch gute alte Treiberdialoge ohne anfängertauglicher Benutzerführung durchkämpfen muss -- kann man die Scrollleiste des Touchpads verwenden. Selbst Knoppix hatte das besser erkannt (und Knoppix hat sich bei diesem Laptopmodell ansonsten nicht gerade mit Ruhm bekleckert).

All diese Eigenheiten könnte ich verzeihen. Tatsächlich ist das System bislang gegenüber XP nicht einmal wirklich im Nachteil, denn selbst eine schlecht gemachte Benutzerführung ist kein Nachteil gegenüber der quasi nicht vorhandenen in XP. Mir ist es als Benutzer jedenfalls egal. Aber als Produktmanager bei Microsoft würde ich mir ernsthafte Sorgen machen, ob ich nicht meine Zielgruppe verfehle.

Tatsächlich wirkt die ganze Benutzeroberfläche so, als ob man sich nicht ganz einig wäre, was denn nun die Zielgruppe ist. Einerseits die schon aus Vista bekannten Spielereien und Kinkerlitzchen auf dem Desktop: Diashow, Wetterbericht, bunte Icons im Kontextmenü. Das Aero-Design und sonstige Grafikspielereien. Die besagte (halbherzig gemachte, aber immerhin) vereinfachte Benutzerführung. Eine große, bunte Übersichtsseite für alle auf dem Computer installierten Spiele. Kurz: Viele Dinge, die vor allem private Gelegenheitsbenutzer ansprechen sollen. Andererseits aber braucht man nicht lang an der schönen Oberfläche zu kratzen, um mitten in hochtechnischen Dialogfeldern zu landen. 3 der 10 Standardeinträge im Startmenü behandeln die Systemverwaltung, 2 weitere sind zumindest relativ technisch. Es gibt kaum brauchbare Hilfedateien, und die vorhandenen sind sehr technisch geschrieben. Und man muss sich mit PCs schon sehr gut auskennen um zu wissen, warum manche Programme im Ordner "Programme", und andere im Ordner "Programe (x86)" gespeichert werden. "Wer zwei Hasen jagt, fängt keinen," heißt das böse Sprichwort dazu. Aber genug gemeckert über die Produktgestaltung von Microsoft.

Nach wie vor kommt Windows nicht standardmäßig mit OpenOffice, und auch andere Programme fehlen, die mittlerweile nicht mehr als nützlich, sondern als Grundausstattung anzusehen sind. Notepad versteht mittlerweile wenigstens Strg+S als Shortcut für Speichern, ist sonst aber nicht weiterentwickelt worden. Paint hat eine neue Oberfläche und ein oder zwei neue Features verpasst bekommen, lässt aber nach wie vor sogar so grundlegende Funktionen wie das Rotieren der Auswahl oder eine vernünftige Farbauswahlpalette schmerzlich vermissen. Natürlich gibt es auch einige positive Überraschungen, zum Beispiel einen Eingabemodus für mathematische Formeln mittels Handschrifterkennung, ein PostIt-Tool für kurze Notizen am Bildschirm, und einiges an eingebauter Unterstützung speziell für die Arbeit am Laptop.

Der nächste nicht allzu erfreuliche Punkt ist die Übersetzung. Ich habe es mir ohnehin schon vor längerer Zeit angewöhnt, so gut wie alle Programme auf Englisch zu installieren, um den stümperhaften Übersetzungsversuchen zu entgehen. (Was zum Beispiel antwortet man auf "Wollen Sie wirklich abbrechen?", wenn die verfügbaren Buttons "Abbrechen" und "Abbrechen" heißen?) Aber von einer großen Firma wie Microsoft darf man sich wohl ein bisschen was erwarten. Oder sollte man zumindest erwarten dürfen. Und obwohl mir bisher keine ganz groben Schnitzer untergekommen sind, ist die Übersetzung nicht gerade überragend. (Zitat: "Sie verfügen momentan nicht über die Berechtigung des Zugriffs auf diesen Ordner." Wenn schon, dann müsste es "Berechtigung zum Zugriff" heißen, und "Sie sind nicht berechtigt, diesen Ordner zu öffnen" wäre eine wesentlich flüssigere Ausdrucksweise.) Weiters auffällig ist, dass die Programmordner je nach Tagesverfassung entweder als "Programme" oder "Program files" aufscheinen; Das Benutzerverzeichnis heißt abwechselnd "Benutzer" und "Users". Das ist für Benutzer "nur" etwas verwirrend, für Programmierer aber ausgesprochen lästig.

Ebenfalls lästig: Standardmäßig ist Windows 7 so eingestellt, dass jedes Mal, wenn man den Laptop zuklappt, der Computer sofort in den Ruhezustand geht. Das ist zum Glück relativ schnell abgeschaltet -- wenn man weiß, wo man zu suchen hat.

Bereits an Tag 3 ist Windows 7 bei mir außerdem das erste Mal mit einem Blue Screen abgeschmiert. Und zwar beim Nichtstun, während der Computer eine halbe Stunde darauf gewartet hat, dass ich zurückkomme.

Auch diese kleinen Ärgernisse könnte ich alle noch verzeihen. Aber gestern Abend wollte ich dann, endlich nach etlichen Wochen ohne Windows-Computer, wieder einmal meine diversen Windows-Spiele beehren. Schließlich ist das der Hauptgrund, warum ich Windows installiere und nicht Linux. Ergebnis: Von drei Spielen, die ich installiert habe, läuft unter Windows 7 genau -- gar keines. (Bei einem davon warnt er mich wenigstens, dass es "bekannte Kompatibilitätsprobleme" mit dem Spiel gibt.)

Fazit: Ich hoffe für Microsoft, dass sie vorhaben das System noch *gründlich* zu überarbeiten vor der tatsächlichen Veröffentlichung. Und ich frage mich, ob es eine gute Idee war, es in diesem halbfertigen Zustand der Öffentlichkeit zu präsentieren. Mich jedenfalls überzeugt es nicht.

lG Birgit

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