Sunday, March 29, 2009

Advocatus Diaboli
Oder: Wozu eigentlich Privatsphäre?

Vorbemerkung: Der folgende Text hat nicht unbedingt etwas mit meiner persönlichen Meinung zu tun, sondern mit meiner Vorliebe dafür, kontroversielle Meinungen in den Raum zu stellen. (Diskutieren ist so langweilig, wenn ohnehin alle die gleiche Meinung vertreten.)

Um die ungeheuerliche Frage einfach einmal zu fragen: Braucht der Mensch wirklich Privatsphäre? Was tun wir denn so Geheimes, dass niemand es erfahren dürfte?

Kundenkarten. Datenschützer warnen in letzter Zeit zum Beispiel mit Vorliebe vor Kundenkarten. (Link: http://www.welt.de/finanzen/article954775/Voellig_durchleuchtet_mit_der_Kundenkarte_der_Zukunft.html) Ich war heute beim Billa und und habe zwei Zucchinis, 250g Schweinefleisch und eine Packung Damenbinden gekauft. Tut's mir weh, wenn das jemand weiß? Nein. Wer weiß, vielleicht schafft Billa es ja, die Kundendaten ordentlich auszuwerten und die Angebote besser auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten. (Vielleicht stellen sie aber auch einfach die Sachen, die oft gekauft werden, ganz nach hinten, damit man an möglichst vielen anderen Sachen vorbeigehen muss und eventuell mehr kauft.)

Anonymität in Chats und Foren. Eine weitere Befürchtung vieler Leute ist, dass die Anonymität in Foren und Chats verloren gehen könnte. Ich glaube, dass vieles am Umgangston im Internet dadurch entsteht, dass Leute anonym sind. Es ist mir ziemlich unbegreiflich, wie ausfällig manche Leute werden können sobald sie überzeugt sind, unerkannt zu bleiben. Unter dem eigenen Namen würde man solche Dinge kaum veröffentlichen; wer weiß, wann zum Beispiel ein potentieller zukünftiger Arbeitgeber das einmal entdeckt. Ich finde jedenfalls, wenn man für etwas, das man sagt, nicht gerade stehen kann oder will, dann ist es in den meisten Fällen angebracht, die Klappe zu halten. (Gegenargumente genau dazu schreibe ich dann in einem meiner nächsten Beiträge.)

Vertraulichkeit von e-mails. Gerade gmail wird oft vorgeworfen, die e-mails der Benutzer zu lesen oder zumindest automatisch auf relevante Inhalte zu untersuchen und die Werbeanzeigen anzupassen. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt (und wenn ich es wüsste, dürfte ich es nicht sagen). Was ich weiß, ist, dass gmx vor kurzem meine gesamte Inbox gelöscht hat, weil ich mich zu lang nicht eingeloggt hatte. Es ist mir ehrlich gesagt wesentlich lieber, gmail liest meine e-mails, als gmx löscht meine e-mails.

StudiVZ und Facebook als Gefahr für die Privatsphäre. Nächstes Steckenpferd für Datenschützer: Die bösen sozialen Netzwerke. Auch darüber gibt's wahrscheinlich noch einen separaten Beitrag von mir. Kritikpunkt 1: Leute geben zu private Daten über sich preis, insbesondere Telefonnummer und Adresse. Naja, diese Sachen stehen aber wohl auch im Telefonbuch. Und dort kann sie jeder lesen; in sozialen Netzwerken kann ich den Zugang zu diesen Informationen wenigstens einschränken auf Leute, denen ich selbst eine Berechtigung dafür gegeben habe.

Fotos in sozialen Netzwerken. Kritikpunkt 2 sind die Fotos, auf denen man von jedem verlinkt werden kann. Was einerseits in gewissen Situationen natürlich peinlich sein kann. Nicht jeder möchte, dass der potentielle zukünftige Arbeitgeber ausgerechnet auf ein Bild stößt, wo man kotzend über der Klomuschel hängt. Andererseits ist die Anzahl der Leute, von denen solche Fotos existieren, mittlerweile nicht mehr gerade gering. Vielleicht werden sich auch die Arbeitgeber einfach daran gewöhnen müssen, dass ein Großteil ihrer Bewerber sich gelegentlich bis zur Besinnungslosigkeit besäuft.

Uninteressant. Was die Leute an anderer Personen Privatleben so interessant finden, ist doch -- wenn wir ehrlich zu uns selbst sind -- die Tatsache, dass diese nicht wollen, dass wir etwas darüber erfahren. Ob es über jemanden wirklich etwas auch nur ansatzweise Interessantes zu wissen gibt, ist dabei völlig irrelevant. Dass wir es nicht wissen, das fuchst uns. Ich glaube, wenn man über jede Person jederzeit alles herausfinden könnte, wäre es sehr schnell nicht mehr spannend.

Vorteile. Dabei hat eine Welt ohne Privatsphäre doch auch eine ganze Reihe Vorteile. Zum Beispiel im Supermarkt: Statt dass man sich in langen Schlangen an der Kasse anstellen muss, werden die Produkte einfach automatisch registriert sobald man sie aus dem Geschäft trägt, und vom Konto abgebucht. Man braucht genaugenommen gar kein Geld mehr mit sich herumtragen. Somit gibt es auch keine Taschendiebstähle mehr. Insbesondere, da man ja bei einem Diebstahl ohnehin den Weg des gestohlenen Gegenstandes nachverfolgen könnte.

Kriminalität. Wenn wir schon beim Thema Kriminalität sind: Die meisten Verbrechen können damit auch fast sofort aufgeklärt werden. Man schaut einfach nach, wer am Tatort war. Alibis überprüfen? Gar kein Problem mehr. Entführungsfälle? In Minuten gelöst.

Gesundheit. Und erst die medizinischen Vorteile! Herzinfarkte können bereits in Sekunden an die Rettung gemeldet werden. Viele andere Dinge werden langfristig verfolgt und bei Veränderungen des Gesundheitszustandes kann rechtzeitig eingegriffen werden.


Die zwei wesentlichen Thesen (zu denen ich auf andere Meinungen sehr gespannt bin) also zusammengefasst:

* Es gibt kaum etwas, das zu verheimlichen sich lohnt. Menschen sollten in der Lage sein, zu dem, was sie tun, zu stehen.

* Insgesamt überwiegen die Vorteile einer totalen Überwachung über die Nachteile.

Fröhliches Diskutieren! ;)

lG Birgit

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