Sunday, January 31, 2010

Kapiland

Früher hat man in Computerspielen à la Tycoon komplexe Modelle aufgebaut, um die Wirtschaft möglichst realitätsgetreu zu simulieren. Heute ist das viel einfacher: Heute steckt man ein paar tausend Spieler zusammen in ein Online-Spiel mit Marktplatz und wartet ab, was passiert.

Konkret heißt das Ding Kapiland. Jeder Spieler kann Fabriken und Geschäfte bauen sowie durch Forschung die Qualität seiner Produkte steigern. Jedes Produkt benötigt Ausgangsstoffe, die in der Fabrik dann unter gewissen Produktionskosten ins nächste Produkt in der Produktionskette umgewandelt werden.

Einzige Ausnahme hierbei ist Strom: Der entsteht aus dem Nichts. (Vielleicht bestehen die Kraftwerke in Wirklichkeit ja aus großen Ergometer-Farmen, auf denen die Arbeiter dann strampeln, um Strom zu produzieren.) Mit Hilfe von Strom kann man in der Quelle Wasser "erzeugen". Aus Wasser produziert sich Saatgut auf der Plantage. Wasser plus Saatgut ergibt auf der gleichen Plantage Zuckerrohr oder Kakao. Zuckerrohr und Strom wird in der Lebensmittelfabrik zu Zucker verarbeitet. Und zusammen mit dem Kakao wird aus dem Zucker schließlich ein Schokoriegel, der im Lebensmittelgeschäft verkauft wird.

Insgesamt etwa 50 verschiedene Produkte werden in Kapiland so erzeugt und verkauft, von Strom und Wasser über Stahl und Getreide bis hin zu Badelotionen, Cabriolets und Diamantringen. Jedes dieser Zwischenprodukte kann am Marktplatz zwischen den Spielern gehandelt werden.

Und schon fangen die Spieler an, sich zu spezialisieren. Der eine setzt auf Grundstoffe, produziert große Mengen Wasser, Strom und Stahl und erhält sein Geld ausschließlich aus dem Verkauf an andere Spieler. Ein anderer spezialisiert sich auf ein Produkt, zum Beispiel Schokoriegel, und produziert dieses selbst vom Strom bis zum Verkauf. Und der dritte baut Geschäftsketten, kauft alle Produkte von anderen Spielern ein statt sie selbst zu produzieren, und verkauft sie an die (NPC-)Endkunden weiter. Manche spezialisieren sich sogar auf den Bau und Verkauf ganzer Fabriksgebäude an andere Spieler.

Entsprechend gibt es im Forum zum Spiel auch bunte Diskussionen, von "Suche Dauerlieferanten für Saatgut und Baumwolle" bis zu "Verkaufe 8000m² große Lebensmittelfabrik in Frankreich". Und besonders lustig sind die regelmäßig wiederkehrenden Diskussionen über den Stahlpreis -- alle paar Wochen kommt wieder jemand daher mit "Wir sollten den Stahlpreis hochtreiben, Stahl verkaufen zahlt sich ja gar nicht mehr aus". Was meistens beantwortet wird mit "Wenn Stahl noch teurer wird, produzier ich ihn mir selber." von der einen Seite und "Wenn Stahl so billig bleibt, verkauf ich meine Stahlwerke." von der anderen. Damit hat man innert zweier Stunden wieder geklärt, wie freie Marktwirtschaft funktioniert, und der Stahlpreis pendelt sich ungeniert wieder bei etwa 280 ein.

Kurz und gut: Wer freie Marktwirtschaft einmal in Aktion sehen will und noch dazu ganz risikofrei, kann sich an Kapiland versuchen. Pädagogisch wertvoll, nicht nur für BWL-Studenten.

lG Birgit

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