Monday, January 18, 2010

Und wie hoch ist Ihr Cholesterin?

Meine Datenschützerseele kocht. Über den "Gesundheitsfragebogen" einer großen österreichischen Versicherung. Größe und Gewicht gehören da noch zu den harmlosesten Fragen. Es geht damit weiter, dass man sämtliche aktuellen und früheren Krankheiten angeben muss, inklusive psychischer Erkrankungen, weiters durchschnittlichen Alkohol-, Nikotin- und Drogenkonsum, und Erkrankungen bei den Eltern und Geschwistern.

Die wahre Frechheit beginnt dann aber beim Kleingedruckten: "Die zu versichernden Personen stimmen ausdrücklich zu, dass der Versicherer (...) bei Dritten (Ärzten, Krankenanstalten, sonstigen Einrichtungen der Krankenversorgung oder Gesundheitsvorsorge, Sozialversicherungsträgern, Versicherungsunternehmen, sonstigen Versicherungseinrichtungen, Behörden usw.) alle für erforderlich erachteten Erkundigungen einzieht; sie entbinden die Befragten im Voraus für jeden Fall von der ärztlichen und sonstigen beruflichen Schweigepflicht."

Ja, ich gebe zu, ich bin ein musterhafter Versicherungsnehmer: Jung, keine schweren Krankheiten, keine Risikosportarten, kein Alkohol, kein Nikotin, in meinem ganzen bisherigen Leben keinen einzigen Tag im Krankenstand gewesen. (In bösen Witzen wird an dieser Stelle dann gefragt, wozu man überhaupt lebt.)

Aber was, wenn's nicht so wäre? Was ist mit den vielen Leuten, bei denen es nicht so ist? Wenn wir anfangen, Prämien je nach Risiko zu berechnen, sind wir in kürzester Zeit beim amerikanischen System, und dann können wir uns unser schönes, weltweit gelobtes Gesundheitsversicherungssystem quasi eh schon in die Haare schmieren.

Falls tatsächlich ein Versicherungsfall eintritt, schön und gut, dann gestehe ich der Versicherung das Recht zu zu überprüfen, ob a) der Versicherungsfall "echt" ist und b) ob er tatsächlich während der Laufzeit der Versicherung eingetreten ist oder davor schon bestand. Das ist wohl auch notwendig, um echten Betrug zu verhindern.

Aber solange die Versicherung sowieso nur von mir Geld kassiert ohne dass ich irgendwelche Leistungen in Anspruch nehme, ist es eine Unverschämtheit sonder gleichen, dass man sich gleich einmal das Recht sichert, bei sämtlichen Ärzten, bei denen ich je war, alle Informationen über mich einzuholen. Und ja, natürlich muss die Adresse des Hausarztes angegeben werden, sowie alle weiteren Ärzte, bei denen man innerhalb der letzten 3 Jahre war. Sogar, ob innerhalb der letzten vier Monate eine spezielle Untersuchung (EKG, Labor, Röntgen, MRT, ...) durchgeführt wurde, muss man angeben -- vermutlich, damit die Versicherung sich schnell die Ergebnisse davon holen kann. So gesehen kann es einem glatt passieren, dass es ein Nachteil ist, vor Kurzem zur Gesundenuntersuchung gegangen zu sein.

Vermutlich ist es sowieso ein Nachteil, zur Gesundenuntersuchung zu gehen -- weil man dann zum Beispiel nicht mehr wahrheitsgemäß angeben kann, dass man nicht gewusst hat, dass man zu viel Cholesterin im Blut hat. Und ja, natürlich wird gefragt, ob das Cholesterin zu hoch ist, ebenso wie Blutdruck und noch ein paar Sachen, die man nicht wirklich selbst merkt, wenn es einem der Arzt nicht sagt. Weiters ist es natürlich auch ein Nachteil, sich wegen irgendwas behandeln zu lassen, denn natürlich müssen auch Krankenhaus- und Kuraufenthalte angegeben werden, ganz zu schweigen von Medikamenten. Übrigens allen Medikamenten, die man jemals regelmäßig eingenommen hat.


Wollen wir tatsächlich ein Versicherungssystem, in dem es ein Nachteil ist, rechtzeitig zum Arzt zu gehen?

Wollen wir tatsächlich ein Versicherungssystem, in dem man dafür bestraft wird, mit der falschen genetischen Veranlagung geboren worden zu sein?

Wollen wir tatsächlich ein Versicherungssystem, in dem man gesund sein muss, damit man sich leisten kann, krank zu werden?

Ich nicht.

lG Birgit

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